Verfassungsgerichtsurteile in anderen Bundesländern

Bayern – Volksbegehren zu Lernmittelfreiheit (1976)

In der Frage kostenloser Lernmittel beschloss das Land Bayern die Unzulässigkeit des Volksbegehrens mit der Begründung, dass nach Artikel 73 der Bayerischen Verfassung keine Volksentscheide über den Staatshaushalt stattfinden dürfen. Der Verfassungsgerichtshof stellte in seinem Urteil klar, dass die Volksgesetzgebung integraler Teil der Verfassung sei und bedeutungslos werde, wenn sie keinerlei finanziellen Auswirkungen haben dürfe. Auch wenn über das Haushaltsgesetz nicht per Volksentscheid befunden werden dürfe, seien Anliegen mit Finanzwirksamkeit damit nicht automatisch als Gegenstand von Volksbegehren und Volksentscheiden ausgeschlossen, da andernfalls gegen Geist und Buchstabe der Bayerischen Verfassung verstoßen würde. Gerade der im Vergleich zum Gesamthaushalt sehr kleine Posten der Lernmittel könne nicht unter Verweis auf entstehende Kosten unzulässig sein.


Bayern – Volksbegehren gegen Studiengebühren (2012)

Auch im Falle des Volksbegehrens zum Thema Studiengebühren entschied der Verfassungsgerichtshof auf Zulässigkeit des Begehrens. Denn Studiengebühren fielen nicht unter den Staatshaushalt, sondern unter den Körperschaftshaushalt der Universitäten. Letzterer sei durch Artikel 73 der Bayerischen Verfassung nicht von der Volksgesetzgebung ausgeschlossen.


Berlin – Volksbegehren für kostenfreie Kitas (2009)

Nach Artikel 62 (2) der Verfassung von Berlin sind Volksbegehren, die Besoldungsfragen sowie das Haushaltsgesetz betreffen, unzulässig. Dementsprechend wurde das Volksbegehren zunächst für unzulässig erklärt. Das Berliner Verfassungsgericht kam im anschließenden gerichtlichen Verfahren zur gegenteiligen Einschätzung. Denn die Bestimmungen des genannten Artikels 62 (2) sähen lediglich vor, dass die finanziellen Auswirkungen eines Volksbegehrens keine Konsequenzen für das laufende Haushaltsjahr und damit das jeweils aktuelle Haushaltsgesetz haben dürften. Die Auswirkungen des Volksbegehrens bzw. des sich daran anschließenden Volksentscheids würden frühestens im Haushaltsjahr, das auf den Entscheid folgt, zum Tragen kommen. Damit seien die finanziellen Auswirkungen rechtzeitig absehbar und könnten vom Parlament entsprechend berücksichtigt werden.


Sachsen – Volksbegehren zur Reform des Schulgesetzes (2002)

Das Volksbegehren sah unter anderem die Festlegung von Mindest- und Maximalklassengrößen vor. Dies wurde für einen Eingriff in die Budgethoheit des Parlaments gewertet. Das sächsische Verfassungsgericht konnte dieser Auffassung nicht folgen: Die Volksgesetzgebung sei gegenüber der Parlamentsgesetzgebung nicht als nachrangig zu erachten; vielmehr sei eine gewisse Reibung zwischen beiden von der Verfassung gewollt. Daraus folge, dass das Parlament auch Auswirkungen auf den Haushalt hinnehmen müsse; denn die Volksgesetzgebung könne und solle andere Schwerpunkte setzen als das Parlament, was „dann selbstverständlich auch haushaltsmäßige Konsequenzen haben“ könne. Zwar bestehe mit Artikel 73 (1) der Sächsischen Verfassung ein Verfassungsvorbehalt gegenüber unmittelbarer Haushaltsgesetzgebung durch Volksentscheide. Doch lehne sich dieser Artikel der Sächsischen Verfassung an den Artikel 60 (6) der Baden-Württembergischen Verfassung an. Aufgrund der dortigen Formulierung („Staatshaushaltsgesetz“) sei in der baden-württembergischen Verfassungsrechtsprechung eine enge Auslegung üblich, der zufolge nur das Haushaltsgesetz ausdrücklich von der Volksgesetzgebung ausgenommen sei. Es liege daher nahe, auch in Sachsen einer solch engen Auslegung den Vorzug zu geben. Folglich seien nur Begehren, die ausdrücklich das Haushaltsgesetz betreffen, unzulässig, nicht alle Begehren mit Finanzwirksamkeit.