Ein Aufruf für echte Bürger-Mitsprache

Baden-Württemberg rühmt sich in vielen Bereichen Spitzenplätze einzunehmen. Bei der direkten Demokratie auf Landesebene sieht das aber leider anders aus. Noch nie gab es im Land ein Volksbegehren. Damit sind wir Schlusslicht (vgl. Volksbegehrensbericht 2019)!

2015 wurden die Regelungen zur direkten Demokratie durch eine Verfassungsreform verbessert. Die SPD hat im Dezember 2018 angekündigt, erstmals nach diesen Reformen ein Volksbegehren anzustreben. Der Gesetzentwurf, der am Ende dem Landesvolk zur Abstimmung vorgelegt würde, fordert gebührenfreie Kitas. Er wurde aber vom Innenministerium am 5. März 2019 aus vier Gründen für unzulässig erklärt.

Dagegen reichten die Vertrauenspersonen des Volksbegehrens Klage beim Verfassungsgerichtshof ein. Mehr Demokratie unterstützt diese Klage. Wir fordern das Innenministerium und die Landesregierung als Prozessbeteiligt auf, ihre Position zu überdenken!

Was ist am Bescheid des Innenministeriums so problematisch?

Hochgradig brisant ist das Gutachten des Innenministeriums vor allem in einem Punkt. Das Volksbegehren sei verfassungswidrig, weil es zu viel Geld verlange! Nach Angaben der SPD kostet die Umsetzung gebührenfreier Kitas das Land jährlich 529 Millionen Euro. Das entspricht derzeit etwa einem Prozent des Landeshaushalts.

Laut Art. 59 Abs. 3 der Landesverfassung finden keine Volksbegehren über das Staatshaushaltsgesetz statt. Damit ist eindeutig das Haushaltsgesetz als Ganzes gemeint. So sind in anderen Landesverfassungen bspw. finanzwirksame oder haushaltswirksame Gesetze ausgeschlossen.

Ergo: in Baden-Württemberg ist die Regel vorbildlich, hier sollen und dürfen Volksbegehren auch Ziele verfolgen, die Geld kosten. Das Innenministerium dreht hier das Rad eigenmächtig zurück.

Weshalb jetzt dieser Aufruf?

Wenn die Auffassung des Innenministeriums vom Verfassungsgerichtshof bestätigt wird, dann ist es extrem unwahrscheinlich, dass die direkte Demokratie in Baden-Württemberg auch auf Landesebene aufblüht. Fast jede politische Maßnahme kostet Geld. Wenn die Bürger*innen aber keine finanzwirksamen Maßnahmen fordern dürfen, werden sie in die Rolle der Nein-Sager*innen und Verhinder*innen gedrängt.

Wir appellieren mit unserem Aufruf an die Landesregierung: Überdenken Sie Ihre Position als Prozessbeteiligte vor dem Verfassungsgerichtshof! Die Menschen wollen in wichtige Fragen mitentscheiden! Schaffen Sie deshlab die Demokratie-Reformen von 2015 nicht durch die Hintertür ab!

Unterzeichnen Sie deshalb unseren Aufruf: www.volksentscheid-vor-gericht.de

Was passiert als Nächstes?

Der Landtag von Baden-Württemberg wurde als Gesetzgeber vom Verfasssungsgerichtshof um eine Stellungnahme zur Klage gebeten. Er hat damit die Möglichkeit, klar deutlich zu machen dass mit dem Ausschluss des Staatshaushaltsgesetzes von der Volksgesetzgebung nicht gemeint ist, dass Volksbegehren keine finanzwirksamen Forderungen aufstellen dürfen.

Der Verfassungsgerichtshof hat am 20. Januar 2020 die Anhörung zu dem Fall durchgeführt. Das Urteil sollte am 30. März verkündet werden, was wegen des Corona-Virus verschoben wurde. Wann mit der Entscheidung zu rechnen ist, steht daher noch nicht genau fest. Aktuelle Infos wird es aber auf den Kanälen von Mehr Demokratie geben.

Gibt der Verfassungsgerichtshof der Klage statt, darf sich das Bündnis um die SPD auf den Weg machen und für ihr Volksbegehren Unterschriften sammeln. Dafür müssen innerhalb von sechs Monaten ca. 770.000 Unterschriften (10% der Wahlberechtigten in BaWü) gesammelt werden. Nimmt der Landtag anschließend das Volksbegehren nicht an, kommt es zur Volksabstimmung.